Wer hätte bis vor wenigen Jahren auch nur einen Pfennig auf den Siegeszug des Craft Beers gesetzt? Fast niemand. Vielleicht nur die tollkühnen Visionäre, die damit begannen kleine Brauereien zu schaffen: Sie gründeten Unternehmen , zuweilen mit viel wirtschaftlichem Wagemut, und trugen ihre Botschaft über das Land. Heute gibt es keinen Ort (von der winzigen Bar bis zum Sternerestaurant, vom Kramladen hinter den sieben Bergen bis zum Riesensupermarkt im Einkaufszentrum), an dem man kein Craft Beer findet.
Der große Erfolg und die Verbreitung haben natürlich einige kritische Punkte und Probleme hinsichtlich der Definition des Produkts zum Vorschein gebracht: Deswegen bestimmt seit 2016 ein Gesetz, dass "birra artigianale"- wie Craft Beer in Italien genannt wird - nur als "handwerklich hergestelltes Bier" gilt, wenn es weder pastorisiert noch mikrofiltriert wird. Außerdem muss es von kleinen, unabhängigen Brauereien produziert werden, die nicht mehr als 200.000 Hektoliter Bier pro Jahr erzeugen. Die Verbreitung dieses Biers hat die großen internationalen Gruppen gezwungen, sich Neuheiten einfallen zu lassen, um dem Phänomen etwas entgegen setzen zu können und die steigende Nachfrage nach Qualitätsbier zufriedenzustellen. Also haben sie spezielle Biersorten und aromatisiertes Bier auf den Markt gebracht, die jedoch industriell hergestellt werden, wozu immer die Pastorisation gehört, das heißt, die verschiedenen Prozeduren, durch die das Bier länger haltbar wird. Bei Craft Beer handelt es sich dagegen um frisch gebrautes Bier, um ein lebendiges Produkt, das sich im Laufe der Zeit entwickelt. Wenn außerdem noch die Rohstoffe (Gerste oder anderes Getreide, Malz und Hopfen) aus der Umgebung oder sogar vom gleichen Betrieb kommen, ist ein Höhepunkt an Authentizität und Sorgfalt erreicht, mit der jede einzelne Phase, die für die Bierherstellung nötig ist, betreut wird.
Und wie sieht es in der Toskana aus? Wenn man alle Mikrobrauereien, Brewpubs (Lokale, die Bier für den internen Konsum brauen und oft mit einem gastronomischen Angebot einhergehen) und Beer Firms (die keine eigene Brauanlage haben) zusammenzählt, sind es fast hundert handwerkliche Brauereien. Die älteste ist die 2006 gegründete Atlantic Oil in Porrena im Casentino; dort gibt es außerdem die Brauerei Bifrons (vorzüglich und stark ihr dunkles Bier Sprout). Im nicht allzu weit entfernten Hügelland liegt dagegen die Luppolaia di Caprese Michelangelo, während in einem anderen Abschnitt des Apennin, in der Garfagnana, La Petrognola zu Hause ist, eine Brauerei, die besonders auf Dinkel setzt und ein Kastanienbier braut.
Auf der anderen Seite des Gebirges, in der toskanischen Romagna, finden wir in Marradi die Brauerei Cajun, die unter anderem das Lom anbietet, ein Bier aus der vorzüglichen einheimischen Marone. Weiter über die Via Francigena kommen wir zum Birrificio di San Gimignano mit seiner Birra del Pellegrino und dem Birrificio di San Quirico mit dem Rotbier Giulitta, dem Hellen Iris und dem ungewöhnlichen Bier Catharina, das aus biologischem Getreide der Val d’Orcia gebraut und mit den Gewürzen des Panforte aus Siena aromatisiert wird: Pfeffer, Zimt, Muskatnuss und Nelken.
Vapori di Birra (was übersetzt so viel wie "Bierdampf" bedeutet) hingegen kann sich nirgendwo anders als im Gebiet von Larderello mit seinen Soffionen befinden: Es handelt sich um die erste Brauerei, die geothermische Energie einsetzt.
Im Königreich des Weins, dem Chiantigebiet, Bier zu brauen, ist ein mutiges Unterfangen: In Radda haben die Chianti Brew Fighters, die unter anderem das sehr interessante Rotbier Serpe brauen, diese Herausforderung erfolgreich gemeistert. Näher am Meer finden wir in Crespina das Opificio Birraio, eine Brauerei mit Landwirtschaft, die auf den eigenen Flächen sowohl das Getreide wie den Hopfen für ihre Biere anbaut, darunter die wundervollen Glaux (ein belgisches Ale) und Odiosa (ebenfalls ein Amberbier, aus Weizen und Gerste).
In Livorno gibt es dagegen das Piccolo Birrificio Clandestino, eine Mikrobrauerei, die auch wegen ihres ausgezeichneten Rotbiers Santa Giulia bekannt wurde. Von hier aus geht es übers Meer, um das Bier der Brauerei Birra dell’Elba zu kosten. Und früher oder später machen wir uns auf zur wilden, wunderschönen Insel Capraia: Den Aromen von Lakritz und dem Duft nach Meer, die Karpa, das Bier mit Italienischer Immortelle des landwirtschaftlichen Betriebs Arura verströmt, kann man kaum widerstehen.