Die Kastaniensaion war in vollem Gange, als wir die Garfagnana Ende November besuchten. Wir waren spät dran für die Ernte, aber nicht für die Verarbeitung und die Vermahlung, und insbesondere für die Verkostung. Kastanien sind ein Schlüsselelement in der regionalen Gastronomie und fehlen bei keinem Essen. Wir haben daraus gelernt, inwieweit die Kastanien für die lokale Küche von Bedeutung sind und welche Rolle sie für die kulturelle Tradition in diesem Gebiet spielen.
Kastanien sind eines der Hauptprodukte, die aus den bergigen, bewaldeten Gebieten der nördlichen Toskana kommen, darunter die Lunigiana und Garfagnana (die beiden Gebiete teilen ähnliche Bräuche und Traditionen, und ein ähnliches kulturelles Erbe, das sich vom Rest der Toskana unterscheidet.
Historisch gesehen reichen die Kastanienbäume bis zur Zeit des Römischen Reichs zurück. Parallel zur Bevölkerung nahm auch die Zahl der Bäume zu, und erreichte ihren Höhepunkt im frühen 19. Jahrhundert. Die Kastanienbäume, die eine Schlüsselrolle für die Ernährung der einheimischen Bevölkerung spielten, wurden auch „Brotbäume“ genannt.
Jahrhundertelang bildeten die Kastanien das Hauptnahrungsmittel für die Bevölkerung. Da sie günstig und reichlich vorhanden waren, leicht verdaut sowie getrocknet und gelagert werden konnten, waren sie die wichtigste Zutat der Küche der Garfaganana.
Im Laufe der Zeit entwickelten die Bewohner der Garfagnana eine Reihe von Instrumenten, Techniken, Bräuchen und Traditionen, die ihnen den Namen „Kastanienzivilisation“ verliehen.
Bis heute werden Kastanien auf traditionelle Weise geerntet und getrocknet - in kleinen Steinhäusern, die Metati heißen. Dort werden die Kastanien auf hölzernen Gittern über einem offenen Feuer verteilt, das mindestens vierzig Tage brennt – dadurch wird nicht nur der ideale Wassergehalt garantiert, sondern der Frucht auch ihre typische Rauchigkeit verliehen. Die getrockneten Kastanien werden dann handverlesen und sorgfältig von Hand ausgewählt. Die besten Früchte werden zur Mühle gebracht (einige der Steinmühlen in der Gegend sind hunderte von Jahren alt) und mit Mühlsteinen zu feinstem Mehl gemahlen.
In der Garfagnana wird das auf traditionelle Weise hergestellte Kastanienmehl „Farina di Neccio“ genannt und durch das DOP-Gütezeichen geschützt. Das helle, fast elfenbeinfarbene Mehl zeichnet sich durch ein süßes Aroma mit einem leichten, angenehm bitteren Nachgeschmack aus. Sein Geruch ist intensiv und sofort wiedererkennbar, während seine Textur fein und pudrig ist.
Das Mehl wird am besten frisch konsumiert: Nach ein paar Monaten wird es ranzig. Das auf natürliche Weise glutenfreie Mehl wird oft mit anderen Getreidesorten für Brotrezepte sowie für glutenfreie Zubereitungen verwendet.
Auf lokaler Ebene findet sich eine Vielzahl von traditionellen Gerichten , die für das genügsame, aber reiche kulinarische Erbe dieser Gegend stehen. Ein traditionelles Produkt ist der Castagnaccio – eine Art Fladenbrot, der mit Nüssen und Rosmarin angereichert wird. Dann wären da aber noch die Necci (Kastanien-Crêpes mit Ricottafüllung), Menafregoli (eine Art süße Polenta), Kekse, frische Pasta und mehr.
Im Folgenden finden Sie ein Rezept für den Castagnaccio, das uns der Chefkoch der Osteria Le Verrucole in San Romano gegeben hat: