Destillate und Liköre aus der Toskana

Der Vin Santo ist der toskanische Likör schlechthin, das perfekte Beispiel für den Abschluss einer Mahlzeit nach den Regeln der ursprünglichsten Gastfreundschaft. Die Tradition schreibt vor, dass er als Dessert zusammen mit klassischem Trockengebäck wie Ricciarelli und Cantucci verkostet wird. 

Er ist seit dem Mittelalter bekannt und verdankt die Bezeichnung „santo“ (heilig) der Verwendung bei liturgischen Feiern sowie den Legenden, die von wundersamen Heilungen berichten, die nach dem Genuss dieses Likörweins eingetreten sind. 

Dieser besondere Likör ist die Grundlage vieler traditioneller toskanischer Rezepte: von den Pfirsichen aus Prato bis zur Zuppa inglese, von der Schiaccia briaca der Insel Elba bis zur Mortadella di Prato ist der Alchermes oder Alkermes eine Art süßes Elixier von leuchtend roter Farbe mit einem würzig-aromatischen Geschmack und 35 Grad Alkoholgehalt. Er war besonders bei der Familie Medici beliebt und verdankt seinen Namen und seine Farbe der Cochenille, die seit der Antike für seine Herstellung verwendet wird. 

Man sagt, er sei ein „stärkender“ Likör, der den Geist belebt und den Organismus kräftigt. Genau deshalb wird er seit ihrer Gründung im Jahr 1233 von den Florentiner Nonnen des Ordens Santa Maria dei Servi hergestellt. Das heutige Rezept ist das Ergebnis der Arbeit und des Einsatzes von Fra' Cosimo Bucelli, dem damaligen Leiter der Officina Farmaceutica Santa Maria Novella in Florenz. 

In Fivizzano, im Herzen der Lunigiana, findet man den Amaro Clementi, auch bekannt als China Clementi, ein ockerfarbenes Elixier, dessen Rezept seit vier Generationen weitergegeben wird. 

Er wurde 1884 von Dr. Giuseppe Clementi, einem Apotheker und erfahrenen Botaniker, erfunden, der zwei edle tropische Chinarindensorten mit verschiedenen Gewürzen und Heilkräutern mischte, bis er diesen Likör mit seinem weichen Geschmack und seinem intensiven Aroma erhielt.

Der Biadina ist typisch für Lucca und Umgebung und ist ein Likör von dunkler Farbe, aromatischem Geschmack, gleichzeitig weich und ein wenig bitter. Er duftet intensiv nach Kräutern, hat einen Alkoholgehalt von 27 Grad und wird traditionell von einer kleinen Portion Pinienkerne begleitet getrunken.

Er stammt aus der Zeit, als auf der Piazza San Michele in Lucca der Viehmarkt abgehalten wurde, denn der Name „biadina“ leitet sich von dem Futtergetreide für die Pferde ab, das in demselben Geschäft gekauft wurde und in dem der Besitzer zu sagen pflegte: „etwas Futter für das Pferd und etwas Futter für dich“, während er das von ihm geschaffene Gemisch herstellte. 

Der China Massagli ist ein Likör, der durch die Mazeration verschiedener Kräuter und Wurzeln nach dem Originalrezept von 1855 erzielt wird, das von dem Doktor Pasquale Massagli in seiner Apotheke an der Piazza San Michele in Lucca entwickelt wurde, die noch heute existiert.

Er wird auch Elisir di China Massagli genannt und hat eine dunkle, doch klare Farbe, einen bitteren Geschmack, eine samtige Konsistenz und ein unverwechselbares Aroma, das sich durch eine harmonische Geschmackskombination auszeichnet, bei der keine Note überwiegt. Die Grundlage des Rezepts ist eine lange Mazeration der Rinde von Chincona Officinalis zusammen mit anderen Kräutern und Gewürzen wie Enzian, Zimt, Muskatnuss und Nelken.

Das Elisir di China aus Pieve Fosciana ist ein bittersüßer Likör von durchsichtiger roter Farbe, der 14 Heilkräuter enthält und typisch für die Garfagnana ist.

Der Überlieferung nach ist dieser aus Chinarinde hergestellte Likör 1912 in dem als Labor genutzten Hinterzimmer der Apotheke dieser kleinen Ortschaft am Fuße des Toskanisch-Emilianischen Apennins entstanden. Er ist als hervorragendes Tonikum und Digestif anerkannt und wurde in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen wegen seiner therapeutischen Wirkung mit der Goldmedaille ausgezeichnet. 

Aus der bäuerlichen Tradition der Provinz Prato stammt der Wermut aus Weißwein, ein alkoholarmes Getränk, das durch die Gärung von weißem Traubenmost zusammen mit Gewürzen und Kräutern erzielt wird. Er ist bernsteinfarben, hat einen süßlichen Geschmack mit einem Hauch von Säure und einen sehr intensiven würzigen und fruchtigen Duft. 

Bereits ab 1750 wurde er, um zur Weihnachtszeit als Aperitif oder Digestif serviert zu werden, von den Hausfrauen aus unreifen weißen Trauben und Kräutern, die auf den Feldern gepflückt und zuerst eingelegt und dann in Holzfässern vergoren wurden, zubereitet.