Der Monte Pisano kann auf eine faszinierende Geschichte zurückblicken: Er hat sich im Pliozän gebildet und gehört zu den ältesten Bergformationen Italiens. Er verdankt seinen besonderen Zauber den ausgedehnten Wäldern und den Orten des Glaubens, in denen sich Natur und Geschichte verflechten.
Die neue Straße, die Lucca mit Pisa verbindet, führt uns auf eine Zeitreise. In den Ortschaften und inmitten der Wälder, in denen man Stille und frische Luft genießen kann, gibt es kleine Schmuckstücke der romanischen Architektur. Auf der Südseite findet man auf den Höhen, die den Apuanischen Alpen am nächsten sind, den Kalkstein, der beim Bau der meisten Kirchen von Lucca zum Einsatz kam, darunter die Pieve Vecchia di Santa Maria del Giudice, die Johannes dem Täufer geweiht ist. Diese Kirche ist ein Schmuckstück von schlichter Eleganz mit Merkmalen der pisanischen Romanik aus dem 12. Jahrhundert.
Hinter der Kirche führt ein Weg durch den dichten Wald mit großen Steineichen, Eichen und Stechpalmen bis zum Kloster San Pantaleone. Es wurde 1044 als Einsiedelei nach der Regel des hl. Benedikt gegründet und wurde 1233 zum Zisterzienserkloster. Heute ist es verlassen, hat aber seinen Zauber bewahrt.
Im Norden des Tals findet man in der Ortschaft San Lorenzo a Vaccoli das Oratorium San Salvatore - das schon im 8. Jahrhundert erwähnt wird - , ein kleines, aus lokalen Kalksteinquadern, Ziegeln und Stein errichtetes Gotteshaus mit einer ungewöhnlichen asymmetrischen Fassade und einem Glockengiebel.
Weiter oben am Hang steht dagegen im Wald von San Michele in Escheto die Kirche San Michele Arcangelo. Sie geht auf das 8. Jahrhundert zurück und wurde zwischen dem 11. und dem 12. Jahrhundert und dann erneut im 14. und im 18. Jahrhundert restauriert. Trotz der vielen Eingriffe, besonders an der Fassade, ist sie von besonderem Reiz.
Folgt man weiter der Anhöhe, gelangt man zum Kloster San Cerbone di Massa Pisana, das seine stillle und meditative Atmosphäre bewahrt hat. Es wurde an dem Ort gegründet, an dem der Legende nach die Heiligen Cerbonius und Regulus nach ihrer Flucht aus Afrika Schutz fanden. Im Laufe der Zeit lebten hier verschiedene Ordensgemeinschaften, während heute die Töchter des hl. Franz von Sales im Kloster ansässig sind, in dem sie auch Unterkünfte anbieten. Zum Klosterkomplex gehören eine große romanische Kirche mit einem kostbaren hölzernen Chor, eine Bibliothek, ein Refektorium, ein Olivenhain, ein Obstgarten und eine große Terrasse, von der aus man einen wundervollen Blick über den Monte Pisano und die umliegenden Steineichen- und Kastanienwälder hat, die zu langen Spaziergängen einladen.
Die Kirche Santa Maria Assunta (oder Pieve Nuova) in Santa Maria del Giudice wurde im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts erbaut. Die Fassade zeichnet sich durch eine Doppelreihe von Blendarkaden aus, die sich auch über die seitlichen Mauern ziehen, ein Merkmal der für diese Zeit in Lucca typischen Architektur, die die Verwendung des einfarbig weißen Kalksteins aus den lokalen Steinbrüchen vorsah. Darüber hinaus sind Elemente vorhanden, die auf die pisanische Romanik verweisen, wie die Verwendung von quadratischen Marmorquadern aus San Giuliano, der Tympanon mit schlanken Säulen und die Einlegearbeiten an der Fassade. Der Kampanile erhebt sich über der Apsis, verjüngt sich nach oben hin und nimmt eine achteckige Form an.
Auf einem (befahrbaren) Weg geht es weiter bis zum Passo di Dante.
„Als Herrn und Meister sah ich diesen hier
So Wolf als Wölflein jagen auf dem Berge,
Der die Pisaner nicht bis Lucca sehn läßt“
schreibt Dante in Die Hölle: 33. Gesang der Göttlichen Komödie. Von diesem Punkt aus hat man einen herrlichen Blick über Lucca und Pisa und bekommt einen Vorgeschmack auf die unterschiedlich langen Trekking-Routen am Monte Pisano, die durch Steineichenwälder und Macchia mit Myrte führen. Der Passo di Dante stellt die Verbindung zwischen der Lucchesia und der Ebene von Pisa. Auf einer Tafel wird an den Gesang erinnert und natürlich ist der Weg dem Dichter gewidmet.
Aber es geht noch weiter. Nach wenigen Schritten erreicht man das Eremo della Spelonca, eine Einsiedelei der Augustiner, deren Ursprünge sich im Dunkel der Geschichte verlieren. Die Mönche, die sie um das Jahr 1000 als Pfarrkirche gründeten, kümmerten sich um die spirituellen Bedürfnisse der Bewohner dieses abgelegenen Gebiets. In der Nähe der kleinen Kapelle kann man ein in den Stein geschnittenes Taufbecken bewundern.
Von der Decke einer Höhle in der Nähe der Einsiedelei tropft Wasser, das gemäß des Volksglaubens heilende Wirkung hat. In der Nähe der Kirche sind auf einem länglichen Stein die Hufabdrücke des Pferdes zu sehen, das der Legende nach vom Teufel geritten wurde, der sich in der Gegend herumtrieb, um den - erfolglosen - Versuch zu unternehmen, den hier lebenden Eremiten in Versuchung zu führen. Der Heilige schleuderte ihn auf den Monte Penna, wo seitdem kein Gras mehr wächst.