In der Lunigiana, einem von Bergen und Wäldern geprägten Landstrich, werden um die Feuer der alten Trockenräume, die hier Gradili genannt werden, herum immer noch Geschichten erzählt und Traditionen weitergegeben. An diesem magischen Ort lassen die gedeckten Tische und der Duft der herbstlichen Wälder das Echo alter Werte, zeitloser Traditionen und einer tief empfundenen und freundlichen Kultur widerhallen.
Dies ist den Einheimischen zu verdanken, die nicht nur ihr Handwerk mit Beharrlichkeit ausüben, sondern auch ihr Wissen mit Neugierigen teilen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Und so geschieht es, dass sich zum zweiten Mal in Folge eine Gruppe junger Leute aus ganz Italien, die mit den unterschiedlichsten Absichten und zu unterschiedlichen Zeiten in die Gegend gezogen sind, im Taverone-Tal, genauer gesagt in der kleinen Ortschaft Tavernelle in der Gemeinde Licciana Nardi, zusammengefunden hat, um Kastanien zu sammeln, den „Gradile“ in der Ortsmitte wieder anzufachen und Kastanienmehl herzustellen.
Zu ihnen gehört auch Simone, der ursprünglich aus Biella stammt und hierher kam, weil ihn die Tradition der Lunigiana faszinierte. Da ist Federica, die zusammen mit ihrem Partner Marco und ihrer Tochter Sole ein Haus im Dorf gekauft hat: Hier hat sie beschlossen, will sie das Kind, mit dem sie schwanger ist, zur Welt zu bringen. Da ist Andrea, ein Grundschullehrer und Kinderbuchautor, der zusammen mit Agnese und Federica ein Gemeinschaftsprojekt namens „La Colomb'era“ ins Leben gerufen hat.
„Letztes Jahr, als wir uns zum ersten Mal an dieses Projekt wagten, wussten wir nicht viel über die Herstellung von Kastanienmehl. Was uns ermutigte, es zu versuchen, war die Unterstützung, die wir von den Dorfbewohnern erfuhren. Loreno stellte uns den Gradile seiner Familie zur Verfügung, Giancarlo, der Schäfer, hat uns einige Kastanienhaine überlassen, in denen wir Kastanien sammeln konnten, Marco half uns beim Transport von Feuerholz und Luciana und Tilde, die in der Nähe des Gradile wohnen, sorgten dafür, dass das zum Trocknen der Kastanien notwendige Feuer immer brannte. Es ist eine schwierige Kunst, das Feuer im Gradile am Brennen zu halten: ist es zu schwach, erlischt es und die Kastanien "trocknen schlecht", ist die Flamme zu stark, droht der Trockenraum Feuer zu fangen. Kurz, man braucht Erfahrung und ohne den Rat und den Beistand dieser Leute hätten wir es nicht geschafft“, sagten Anthony und Simone. Praktische Unterstützung also, doch auch Großzügigkeit und Herzlichkeit.
„Massimo, der örtliche Imker, kam oft vorbei, um zu sehen, wie wir zurechtkamen und um uns mit den leckeren Sgabei zu stärken, die er zuzubereiten pflegt. Tilde wiederum verteilte immer ein paar Süßigkeiten an die Kinder, die herumliefen und den Platz belebten, während die Erwachsenen sich ihren Tätigkeiten widmeten. Luciana steuerte außerdem ihre Apfelküchle bei und dann, mit dem ersten Mehl, gab es Kastanienkrapfen. Während der Arbeit kam regelmäßig jemand, um vorbeizuschauen oder uns Gesellschaft zu leisten und im Allgemeinen herrschte eine Atmosphäre der Zusammenarbeit, was das Allerschönste auf der Welt ist“, berichtet Federica.
Wenn die Neuankömmlinge ein Handwerk erlernt haben, scheinen die Dorfbewohner sehr froh darüber zu sein, den Gradile so wie einst wieder in Betrieb zu sehen.
„Als ich jung war, hatte jede Familie ihren eigenen Gradile. Meiner war direkt hier hinten“, sagt Tilde und zeigt mit ihrer Hand darauf. „Manch einer ist gestorben, andere haben außerhalb Arbeit gefunden und Gradili, die noch in Betrieb sind, gibt es nur noch wenige“.
„Hier draußen zu sehen, wie der Rauch langsam aus dem Gradile aufsteigt, ist schön. Es vermittelt mir ein Gefühl von Jugend“, fügt sie hinzu, während Rosi, die vor der Kirche von Tavernelle sitzt, mit dem Kopf nickt.
An diesen Orten hat alles, was mit der Kastanie zu tun hat, die Macht, verschiedene Generationen miteinander ins Gespräch zu bringen, Menschen mit einer zeitlich und räumlich weit voneinander entfernten Geschichte und Vergangenheit, so dass die verschiedenen in der Landwirtschaft tätigen Familienbetriebe diese Gebiete weiterhin leben, beleben, genießen und genießen lassen können.
Das Kastanienmehl aus der Lunigiana ist elfenbein- bis cremefarben, süß, duftend, mit einer feinen Konsistenz und verfügt seit 2006 über die geschützte Ursprungsbezeichnung, eine Zertifizierung, deren Ziel es ist, den Erhalt der althergebrachten Versorgungskette und der traditionellen Methoden zu gewährleisten: von der Ernte und der Pflege der Kastanienhaine über das Trocknen in den alten „Gradili“ bis hin zum Mahlen mit Steinmühlen.