Die Gastronomie der Lunigiana ist in der einstigen bäuerlichen Kultur verwurzelt, einer Welt, die dem Lauf der Jahreszeiten, der Tradition und den Ritualen folgt, die sich jedes Jahr aufs Neue wiederholen, so wie es die seit Generationen überlieferte Tradition will.
Jeder Zeitabschnitt, jeder Jahrestag war mit einer bestimmten Arbeit verbunden und im Winter, anlässlich des Festes des Heiligen Antonius des Großen, am 17. Januar, musste das Schwein geschlachtet werden, wie die Ikonographie des Heiligen, dargestellt mit einem Schwein an seiner Seite, uns erinnert.
Das Schlachten des Schweins, das am Ende des Sommers gekauft wurde, war ein überaus wichtiger Moment für die Bauernfamilie. Von diesem Moment und von der korrekten Konservierung des Fleisches hing der Großteil der Eiweißversorgung ab und genau in dieser Zeit waren die Norcini äußerst gefragt, echte Fachleute, die von Bauernhaus zu Bauernhaus zogen, um mit ihrem Wissen zur perfekten Zubereitung von Wurstwaren und Würsten und zum korrekten Zerteilen und Portionieren des Fleisches beizutragen.
Bekanntlich „wirft man vom Schwein nichts weg...“ und auch in der Lunigiana war diese Regel heilig, vor allem in einer weit vom heutigen Wohlstand und Konsumdenken entfernten Welt. Daher sind neben den bekanntesten Teilstücken des Schweins auch eine Reihe von Gerichten zur Verwertung der Schlachtreste Teil der lokalen gastronomischen Tradition geworden, ein echtes Beispiel für ländliche Wirtschaft und Nachhaltigkeit!
Sehen wir uns an, welche typischen Produkte die Lunigiana zu bieten hat, die dazu beigetragen haben, die Tradition bis heute lebendig zu halten...
Wenn man in der Lunigiana von Mortadella spricht, ist damit nicht die allseits bekannte Mortadella aus Bologna gemeint, sondern die einheimische Mortadella, mehr oder weniger große Würste, die unter Hinzufügen von Pfeffer und Gewürzen aus grob zerkleinertem Fleisch zubereitet werden. Verwendet werden mageres Fleisch aus der Keule und der Schulter des Schweins sowie das fette Fleisch der Kruppe, dazu kommen der Hals, der Bauchspeck und die Backe des Schweins. Sie hat eine charakteristische U-Form und wird an den Enden zusammengebunden. Mit einem Lorbeerblatt in der Mitte wird sie in der Garfagnana „mondiola“ genannt, während sie in der Lunigiana auch wie eine große Salami gefüllt wird. Sie war der Brotbelag für besondere Anlässe, um ein Glas Wein oder andere typische Produkte wie Focaccette oder Panigacci zu begleiten.
Wenn man in der Lunigiana vom chiodo (Nagel) spricht, scheiden sich die Geister: Auf der einen Seite wird gesagt, dass es sich um die Wurstmischung handelt, die auf den Terrakotta-Tellern gegart wird, auf der anderen dagegen wird vertreten, dass dabei die Mortadella-Mischung verwendet wird. Die ländliche Tradition scheint eher zur letzteren Theorie zu neigen. Der Name scheint sich von der Redensart „Piantiamo un chiodo“ (Lasst uns einen Nagel einschlagen) abzuleiten, wenn der Norcino (Schweinemetzger) und der Drogist eine Pause machten und etwas von der hiesigen Wurst-Mortadella-Mischung unter dem Vorwand, die korrekte Würzung zu prüfen, zum Garen auf den Terrakotta-Teller legten. Sehr warm eignet sie sich hervorragend als Füllung für die Focaccette di Aulla, ein ungesäuertes Brot aus Maismehl, das ebenfalls auf den Terrakotta-Tellern zubereitet wird, die in dieser Winterzeit auch mit den schmackhaften „salsicce e ravi“ (mit Rübstielen zubereitete Würste) gefüllt werden.
Die edelste Wurstsorte der Region ist ein großes Stück Schulterfleisch mit einem Gewicht von ungefähr drei bis sechs Kilo und rosa Farbe, einem würzigen Aroma und einem charakteristischen Geschmack. Leider wird es immer schwieriger, sie zu finden. Diejenigen, die sie herstellen, tun dies für den Eigenbedarf, doch bei den wichtigsten Festen von Filattiera kann man sie probieren. Es war schon immer ein gehobenes Produkt, das bei Festlichkeiten wie Hochzeiten und Taufen verzehrt wurde, und aus seinem Verkauf, der traditionell am 25. August auf der Messe von San Genesio in Filetto stattfand, stammte das nötige Geld, um das Schwein für den kommenden Winter zu kaufen. Zum Zeitpunkt des Verzehrs wird die Schulter von dem Fett, das sie umgibt, befreit und in einen Topf mit reichlich kaltem Wasser und Salz gegeben (etwa eine Stunde pro Kilo Fleisch). Sie wird vorzugsweise lauwarm und in Scheiben geschnittenserviert, doch auch kalt und roh, begleitet von Gemüsebeilagen, Kartoffelpüree oder Salsa verde (grüner Sauce).
Wenn Sie glauben, dass das Sprichwort, das besagt, dass vom Schwein nichts weggeworfen wird, nur ein Allgemeinplatz ist, haben Sie wahrscheinlich noch nie viele der sogenannten „schlichten oder Gerichten zur Verwertung“ probiert, die mit Resten, Innereien und anderen weniger edlen Teilen des Schweins zubereitet werden. Fegatelli in rete, cotiche e fagioli (Leber im Netz, Schweineschwarte und Bohnen) ,ossi bolliti (gekochte Knochen), zuppa con i piedini (Suppe mit Schweinefüßen) und viele andere gute Dinge, wenig bekannt, aber nicht weniger schmackhaft. Es sind alles Gerichte, die der Geschicklichkeit und dem Erfindungsgeist der Hausfrauen der Lunigiana entsprungen sind, die mit dem, was sie zu Hause hatten, eine Mahlzeit zubereiten mussten, ohne etwas zu vergeuden, das die Grundlage für ein Gericht aus dem sehr begehrten Fleisch bilden konnte. Diese Beispiele echter Kreislaufwirtschaft im Haushalt kann man in einigen der lokalen Ferienbauernhöfe kosten, die echte Themenabende veranstalten, natürlich in den Monaten der Schweinetradition...